Donnerstag, 17. Dezember 2015

Alle Jahre wieder

Es ist mal wieder so weit.


Was brauch ich einen Adventskalender, wenn ich statt dessen die O-Antiphonen haben kann. Vor allem, wenn's so schöne Vertonungen davon gibt!

Eine gesegnete letzte Adventswoche!

Dienstag, 15. Dezember 2015

Freitag, 13. November 2015

Eindrücke aus Passau

Eigentlich wollten wir länger bleiben. Eigentlich hatten wir uns das auch ganz anders vorgestellt. Aber das Leben ist selten so, wie ich es mir ausmale, und dass nicht alles genau so ist, wie andere es behaupten, wusste ich vorher auch schon.

Vor Kurzem sind wir zu viert nach Passau gefahren, weil wir gehört hatten, dass die Helfer, die sich um die Flüchtlinge kümmern, am Ende ihrer Kräfte seien, und wollten den Helfern helfen. Natürlich kam noch so manch anderer Aspekt zu unserer Motivation hinzu: Neugierde, wie die Situation nun wirklich ist, Lust aufs Abenteuer, ein bisschen Gutmenschentum und Heldenhaftigkeit, und auch einfach Freude an der Arbeit mit Menschen, egal ob Helfern oder Flüchtlingen.

In Passau haben wir sehr schnell gemerkt, dass die Helfer keineswegs am Ende ihrer Kräfte sind, sondern unglaublich motiviert und jeden Tag neue Freiwillige dazukommen. Wir haben gemerkt, dass wir nicht wirklich notwendig sind - hilfreich schon und auch gern gesehen, aber es gab keine Welt, die wir hätten retten müssen. Also waren wir erst kurz frustriert, weil alles anders war, als wir uns das vorgestellt hatten, und haben dann beschlossen, einfach so mitzuarbeiten, die Welt nicht zu retten, sondern nur das zu tun, was die anderen Helfer auch tun: Brote schmieren, Kisten sortieren, Tee kochen, Essen ausgeben, lächeln, dasein, gelegentlich mit einzelnen Flüchtlingen reden (auf Englisch, Deutsch oder mit Händen und Füßen), Kleiderspenden auspacken und in Regale räumen, Luftballons für Kinder aufblasen, Erbrochenes aufwischen, den Zeltboden fegen, Müllsäcke zum Container tragen und mit der Polizei Kaffee trinken. Und weil die Randzeiten immer etwas knapper mit Helfern besetzt waren, haben wir uns aufgeteilt; zwei haben morgens um halb Sieben mit der Frühschicht begonnen, und zwei haben abends bis zum Schluss gearbeitet, meistens bis kurz nach Zwei.


Bei all dieser 'Helfernormalität' hätte ich nicht erwartet, wie besonders die Zeit dann geworden ist. Mich haben so viele Menschen beeindruckt, fasziniert und nicht mehr losgelassen. So viele Bilder sind in meinem Kopf und Herz, dass ich gar nicht weiß, wie ich das alles beschreiben soll. Ich fange also einfach an, Bild für Bild und Mensch neben Mensch zu stellen.

Ein Bäckereibesitzer aus Passau brachte jeden Tag kistenweise Brötchen vorbei. Oft ließ er Baguette aufschneiden und mit Frischkäse bestreichen, extra für die Flüchtlinge. Als wir uns im Vorbeigehen in seiner Bäckerei einen Kaffee kaufen wollten, durften wir ihn nicht bezahlen - er hatte uns gesehen und seiner Verkäuferin gesagt, dass der Kaffee 'vom Chef' sei.

Eine junge Frau, die ihr Kind vor den Bauch gebunden trug, sprach mich auf Englisch an, um mir ihre Familie vorzustellen und mir zu danken für alles, was ich und andere Helfer ihnen auf ihrer Flucht Gutes getan hatten. Sie war schon seit zehn Tagen unterwegs und mittlerweile total erschöpft, fand aber immer noch die Kraft, sich um ihre Kinder zu kümmern und sie zum Lachen zu bringen. Als sie weitergehen mussten, ließ sie ihr Baby zurückwinken und rief mir zu: "God bless you!"

Als das Zelt eines Abends sehr voll war und die Menschen hungrig, gab es für die Kinder Nudeln mit Tomatensoße - sehr kleine Portionen und nur für die Kinder gerade genug. Die Männer haben mir die Plastikteller aus den Händen reißen wollen, und ich musste nicht nur mit Worten und Blicken sehr deutlich werden, sondern sie auch tatsächlich wegschieben, um den Kindern ihr Essen geben zu können. Sie konnten nicht verstehen, warum Kinder wichtiger sein sollten als Männer, und warum sie Käsesandwiches essen sollten, wenn die Kinder etwas Warmes bekamen.

Jeden Tag, wenn wir in unsere Unterkunft kamen, fragten uns die alten Schwestern des Klosters, wie die Arbeit gewesen war. Selbst die, die eigentlich schon ziemlich dement waren, wollten alles wissen und lebten so mit uns mit. Sie schauten jeden Tag die Nachrichten und beteten immer für die Flüchtlinge, die Helfer und besonders für uns. Sie gaben uns für die Zeit eine echte Heimat und waren unsere Familie.

Eigentlich sollte niemand in 'unserem' Zelt übernachten, es war nur als Durchgangsstation vor der Weiterreise gedacht. Manchmal (bzw. erschreckend oft) kam es aber doch vor, dass Menschen über Nacht bleiben mussten, weil sie nicht mehr weiterkamen und in den umliegenden Hallen kein Übernachtungsplatz mehr war. Der Boden des Zeltes war schrecklich: ein Holzboden, über den tagtäglich tausende Menschen gehen, wo gegessen und getrunken wird, Kinder spielen, sich immer wieder mal jemand drauf erbricht. Auch, wenn wir den Boden so oft wie möglich gefegt haben, wurde er mit der Zeit immer schleimiger und ekliger. Zum Sitzen gab es nur Bierbänke, und sonst nichts im Zelt, wenn man mal von den Absperrgittern absieht. Es war furchtbar, mitansehen zu müssen, wie die Menschen zu erschöpft waren zum Sitzen, und sich in ihrer Verzweiflung und Kraftlosigkeit auf diesen Boden legten. Es verdreht mir heute noch das Herz, wenn ich daran denke.

Manchmal, wenn nicht so viel los war, haben wir uns mit den Kindern Luftballons über die Absperrungen zugeworfen. Es war so schön zu sehen, wie die Kinder sich gefreut haben, und wie auch die Erwachsenen lächeln mussten, wenn sie die Kinder so fröhlich spielen gesehen haben.

Eine Helferin hat erzählt, dass sie in der Arbeit mit ihrem Chef darüber geredet hatte, dass sie so gerne helfen wollte und nicht wusste, wie. Am Tag darauf meinte ihr Chef, er habe gehört, dass im Zelt am Bahnhof Helfer immer willkommen seien, und dass sie jetzt in ihrer Arbeitszeit dorthin gehen solle - er würde sie dafür freistellen.


Letztendlich mussten wir früher als geplant wieder nach Hause fahren, weil sich drei von uns so fies erkältet hatten, dass an Arbeiten erst mal nicht mehr zu denken war. Jetzt sind wir also wieder in unserem Kloster und kurieren uns aus...


Ach ja, eines noch: wir Schwestern haben im Ordenskleid gearbeitet. Wir haben dafür nur positive Reaktionen bekommen - etliche der Flüchtlinge haben uns mit 'Sister' angesprochen und wussten, was wir sind, und hatten großen Respekt vor uns. Viele muslimische Frauen (aber auch einige Männer) haben mit uns Kontakt aufgenommen und das Gepräch mit uns gesucht. Die anderen Helfer und die Polizisten waren vor allem neugierig und auch etwas überrascht, dass es so junge und normale Ordensleute gibt. Keine von uns wurde in Passau jemals in irgendeiner Weise angefeindet oder negativ behandelt wegen ihres offen zur Schau getragenen Christseins.

Donnerstag, 29. Oktober 2015

Das Geheimnis in mir

In den letzten Wochen und Monaten ist viel passiert. Schleier, Kleid und neuer Name sind nur äußere Kleinigkeiten im Vergleich zu vielem, was innerlich geschehen ist. Ich habe nicht darüber gebloggt, weil es mir nicht gelingen wollte, die richtigen Worte zu finden. Auch heute weiß ich nicht, ob das, was mir durch den Kopf und durchs Herz geht, den Weg durch die Finger in Worte findet. Eigentlich weiß ich noch nicht einmal genau, was ich schreiben will - aber das wiederum macht mir keine Sorgen, denn das weiß ich selten vorher... die Worte kommen mir meist erst beim Schreiben.


Seit Wochen beschäftigt mich die Frage, warum ich bin wie ich bin. Nein, nicht die Frage, deren Antwort wäre "Weil Gott mich so erschaffen hat", sondern die Frage, warum ich in manchen Fällen überreagiere und in anderen nicht, warum mich die Aussage einer Person so verletzen kann und die gleiche Aussage einer anderen Person entweder kaum berührt oder auf fruchtbaren Boden fällt.

Warum fällt es mir so oft so unheimlich schwer, so zu sein oder so zu reagieren, wie es mir eigentlich zutiefst entspricht? Warum sehe ich in manchen Fällen fast schon unnatürlich klar, und in anderen erkenne ich noch nicht mal die eigene Hand vor den Augen? Warum kann ich an manchen Tagen aus vollem Herzen mich selbst genießen wie ich bin und an anderen Tagen mich nur schlecht finden und innerlich kein gutes Haar an mir lassen? Warum kann ich an einem Tag ein Kompliment annehmen und mich darüber freuen und am nächsten halte ich das gleiche Kompliment für Heuchelei?

Ich glaube nicht, dass man diese Inkongruenzen als Launen oder Hormonschübe wegerklären kann (Launen und Hormonschübe können da vielleicht als Brandbeschleuniger wirken, aber sie sind selbst kein Brennmaterial). Ich glaube eher, dass jeder von uns sich selbst ein Geheimnis ist. Klar kann ich das einfach ignorieren und sagen "Ich bin halt so". Aber ganz tief in mir weiß ich doch genau, dass ich eigentlich eben nicht so bin, jedenfalls nicht nur. Die letzten Wochen und Monate haben mich immer wieder auf dieses Geheimnis in mir gestoßen. Ich glaube nicht, dass ich in diesem Leben mein Geheimnis lösen oder auch nur ganz erkennen kann, aber ich merke, dass der Weg in die Tiefe meiner selbst mich näher zu Gott bringt. Wo immer ich meine Abgründe aufsuche, ist er schon da. Wann immer ich ihn bitte, mir auf meiner Schatzsuche zu helfen, zeigt er mir einen Weg. Was immer ich auf meiner inneren Reise entdecke, lag schon lange in seiner Hand. Was ich am Boden des Abgrunds und auf den Gipfeln meiner Berge finde, lässt mich manchmal an meiner Blindheit verzweifeln, aber eben auch immer wieder seine Handschrift entdecken. Der Schmerz des Abgrundes und die Schönheit seiner Nähe liegen oft so dicht beieinander, dass ich sie kaum mehr unterscheiden kann. Und wenn ich die Augen nicht vor lauter Angst fest zusammenkneife, sondern mich vorsichtig umschaue, sehe ich, dass in meinem Abgrund genau in dem Moment, wo ich die Augen zaghaft öffne, etwas zu keimen und zu wachsen beginnt.

Das Leben ist jetzt, hier und heute. Ich muss nicht warten, bis ein besserer Tag beginnt, oder mich anstrengen, damit ich eines Tages gut genug bin. Gottes Geheimnis in mir keimt und wächst und will blühen, reifen und Früchte tragen. In mir, so wie er mich geschaffen hat, und in mir, so wie ich geworden bin.

Mittwoch, 21. Oktober 2015

Wenn du willst

Wenn du willst, wirst du meine Fragezeichen Knospen treiben lassen und einen Garten anlegen.
Wenn du willst, werden die Schreie meiner Seele zu einem Lied.
Wenn du willst, muss ich keine Angst mehr vor dem Abgrund haben, weil ich weiß, dass ich entweder fliegen kann oder du mich auffängst.
Wenn du willst, kannst du meine Dunkelheit nehmen und sie mir verwandelt zurückschenken.
Wenn du willst, baue ich keine Mauern mehr um mich vor mir selbst zu schützen.
Wenn du willst, habe ich den Mut, mich verletzen und berühren zu lassen.
Wenn du willst, wirst du selbst meine Dämonen in Engel verwandeln.
Wenn du willst, sage ich ja zu dir und gemeinsam mit dir ja zu mir.
Wenn du willst, Herr, kannst du machen, dass ich heil werde.

Mittwoch, 24. Juni 2015

Dinge, die ich in den letzten Tagen gelernt habe

*in völlig beliebiger und wertungsfreier Reihenfolge*

  • Manche Österreicher mögen Einhörner und sagen das auch ("I mog Einhörner.").
  • Es gibt vermutlich mehr Schleierbefestigungsweisen als es Ordensleute gibt.
  • Wenn man in die richtige Gemeinschaft eintritt, hat man Pfirsiche im Garten - ob das allerdings ein hinreichender Eintrittsgrund ist, bezweifle ich.
  • Ordensgemeinschaften sind wie Obstsalat, nicht wie Kompott.
  • Werbegeschenke geben Sympathiepunkte.
  • Wer morgen früh noch das Wort Hieronymitaner sagen kann, kriegt am Sonntag ein Frühstücksei (und alle anderen auch).
  • Biblische Erzählfiguren, mit denen man sich identifizieren können sollte, werden mehrheitlich wegen ihrer Frisur ausgewählt.
  • Nördlich des Mains liegt Norddeutschland, auch, wenn die Norddeutschen das nicht zu wissen scheinen. (Das wusste ich aber streng genommen auch vorher schon.)
  • Wer sowohl das WLan-Passwort als auch die günstigsten Bustickets auswendig weiß, gilt als Freak (ich schätze, das ist ein Kompliment).
  • Solange man nicht weiß, ob man von den allgemeinen Süßigkeiten essen darf, kann man sie problemlos essen. Erst wenn man gefragt hat, könnte man eventuell ein Problem bekommen.
  • Manche Gruppenbilder kann man ganz ohne Einverständniserklärung online stellen.

Donnerstag, 4. Juni 2015

Sehnsuchtsorte - Gastbeitrag

Ein Gastbeitrag von Daisy.


Irgendetwas hat mich immer schon am klösterlichen Leben fasziniert. Und das, was einen fasziniert, markiert einen Punkt im eigenen Leben, der wenn auch nicht sofort greifbar – eine tiefere Bedeutung hat. Ähnlich, aber noch stärker ist es mit dem Gefühl der Sehnsucht: man sehnt sich nach etwas, man will eine Leerstelle füllen. Man wünscht sich, dass ein Mangel ausgeglichen wird, der schmerzt, weil das, was man vermisst als etwas empfunden wird, das ganz bedeutend und dringend zum eigenen Leben gehört. Erst wenn man das hat, fühlt man sich ganz und angekommen. Natürlich bleibt es zwar eine lebenslange Suchbewegung, aber wenn man nicht fortschreitet, also nicht wenigstens Teile von dem, was man zum Leben benötigt, realisieren kann, dann wird der Mangel zu einer schmerzenden Wunde. Man kann das von sich wegschieben, oder man kann es ernst nehmen und sich fragen: Was fehlt mir zum Leben?

Was mir am klösterlichen Leben immer imponiert hat, war diese Ruhe. Die Ruhe in der Liturgie, in den Bewegungen, den Gesprächen, im Ablauf des Lebens, die Ruhe im Kopf, die sich einstellt, wenn man sich eine Zeit lang auf dieses Leben eingelassen hat. Es ist eine Ruhe, die Frieden bringt. Zu allererst den Frieden mit sich selbst. Aus diesem Frieden nur kann ich mir die doppelte und nicht immer unambivalente Unabhängigkeit erklären, die ein solches Leben ausmacht. Keinen Partner zu haben, keine beste Freundin, bei der man sich ausweinen und gehen lassen kann. Aber auch kein Vergleich mit anderen, nicht die Sucht zu gefallen, nicht der Zwang, Leistung zu bringen und perfekt sein müssen. Nicht der unausgesprochene Imperativ immer zur Verfügung stehen zu müssen. Auch nicht die Tendenz, Verantwortung von sich abzuwälzen, die Schuld bei anderen zu suchen, schlichtweg nicht diese Gefahr sich ganz im Außen zu verlieren. Weil innen etwas ist, das ausreicht, die dahinter versteckten Bedürfnisse zu stillen. Es geht nicht ganz ohne Disclaimer: Natürlich menschelt es auch in Klöstern, auch dort gibt es Alltag, Routine und schlechte Angewohnheiten. Und doch, meine ich, sind die Ausgangsbedingungen andere.

Wenn man heutzutage die klösterliche Lebensform als nicht zeitgemäß betrachtet, dann stimmt das auf der einen Seite. Es muss stimmen, sonst bräuchte es das Kloster nicht. Es hat ja genau den Zweck, sich aus der Zeit herauszunehmen. Aber das ist ein anderes Thema. Ich finde nämlich, dass es auf der anderen Seite extrem zeitgemäß ist. Die richtigen und berechtigten Hilfestellungen von Therapeuten und Coaches, von Yoga- und Meditationslehrern zielen auf diese Sehnsucht nach einem natürlichen Gleichgewicht im Menschen, das mich auch am Kloster so fasziniert. Dahinter steht die alte Weisheit, dass es vor der Aktivität die Sammlung braucht und dass dem Menschen, der keine innere Ruhe findet und der es mit sich selbst nicht aushält auch kein Luxusurlaub hilft.

Diese Balance zwischen innen und außen, zwischen Kontemplation und Aktion, zwischen für sich sein und für andere sein, zwischen Ruhe und Halligalli, die braucht doch irgendwie jeder, oder? Wege diese zu erreichen oder eben daran zu arbeiten, gibt es viele. Wie kraftvoll kann die Ruhe am Meer, im Wald und auf den Bergen sein, wie beruhigend der lange Marsch einer Pilgerreise; wie hilfreich auch die kleinen täglichen Rituale, der Besuch einer Kirche, die Meditation morgens vor der Arbeit und vieles mehr. Die Besonderheit an Klöstern ist, dass sie sichtbare Orte sind, die diese Sehnsucht wachhalten, die uns daran erinnern, dass wir ein Innen haben. Die Menschen in den Klöstern zeigen uns zudem, dass dieses Innen nicht einsam ist, wenn darin das Gespräch mit Gott stattfindet.

Sonntag, 10. Mai 2015

Der Weg zur Heiligkeit

Vielleicht ist sie mein Weg zur Heiligkeit.
Vielleicht. Auf jeden Fall fordert sie mich mit ihrem Verhalten unglaublich heraus. Manchmal möchte ich sie einfach nur schütteln, manchmal würde ich ihr gerne eine reinschlagen, manchmal würde ich ihr gerne Sachen an den Kopf werfen, die vermutlich besser ungesagt bleiben (und wenn wir schon beim Weg zur Heiligkeit sind, sollten sie wohl auch besser ungedacht bleiben).

Ich finde es richtig schwer, mich nicht sinnlos aufzuregen und reinzusteigern, nicht über sie zu lästern mit denen, die sie genauso schwierig finden, und vor allem meine bösen Gedanken immer wieder dahin zu verweisen, wo sie hingehören. Eins meiner Stoßgebete lautet: "Screwtape, hau ab. Jesus, stell eine Wache vor mein Herz, damit nur du darin wohnst."

Ich will das so nicht. Ich möchte gerne geduldig und barmherzig sein, 77 Mal vergeben und dann nochmal 77 Mal und nochmal 77 Mal. Ich möchte keinen Groll hegen und schon immer vom Schlimmsten ausgehen. Ich möchte ihr unterstellen, dass sie es gut meint und es wirklich versucht. Ich möchte ihr ihr Scheitern großherzig zugestehen und ihr jeden Tag einen Neuanfang ermöglichen. Eigentlich will ich das wirklich. Und trotzdem kocht da immer wieder die Wut hoch, holt mich die Ungeduld ein und schleichen sich meine Erwartungen an sie durchs Hintertürchen. Und Screwtape rechtfertigt das alles sehr eloquent: "Das kann man ja wohl erwarten, schließlich leben wir hier in Gemeinschaft - da sind gewisse Grundstandards einfach vorauszusetzen, und wer die nicht erfüllt, ist hier falsch. Und wenn sie nur wirklich wollte, könnte sie auch, das ist alles nicht schwer, man muss nur wollen. Außerdem sind wir hier keine therapeutische Gruppe, die das Fehlverhalten des Anderen tolerieren muss, solange er nur behauptet, er wolle sich bessern. Das Leben hier ist schließlich dazu da, dass alle wachsen können, und das geht ja wohl kaum, wenn eine ständig Stress macht und alle Energien für sich beansprucht." Ja, Screwtape ist richtig gut.

Eigentlich will ich wirklich vergeben können. So, dass hinterher kein Groll zurückbleibt und ich bei der nächsten Kleinigkeit nicht die Letzte auch noch in die Rechnung mit hineinnehme. Gott vergibt mir schließlich auch immer wieder und lässt mich immer wieder zu ihm zurückkommen. Warum kann ich das nicht auch? Warum ist das so schwer, die Barmherzigkeit größer sein zu lassen? Warum muss ich mich selbst so wichtig nehmen?

Ich vermute wirklich, dass sie mein Weg zur Heiligkeit ist. Sie ist der Stein, über den ich stolpere, und immer wieder aufstehen muss. Sie ist die, an der ich lernen kann, wirklich barmherzig zu sein.
Oh Jesus, gibt mir die Kraft und die Liebe dazu!

Freitag, 3. April 2015

Hingabe

"Loslösung. - Wie schwer ist das! ... Wäre ich doch nicht anders gebunden als durch drei Nägel! Spürte ich doch in meinem Fleisch nichts anderes als das Kreuz!"
(Josemaría Escrivá de Balaguer, Der Weg, Nr. 151.)

Donnerstag, 29. Januar 2015

Zwischenstand

So - nach bald fünf Monaten wird es dringend Zeit, dass ich mich hier mal wieder bloggerisch betätige. Irgendwie verging die Zeit rasend schnell und sie rennt bestimmt auch weiterhin nur so vorbei.

Weshalb ich mich nun ausgerechnet heute melde, hat einen einfachen und großartigen Grund: ich war heute bei meiner ersten Kleideranprobe für mein Ordenskleid. Und ich sage nur: WOW.
Wow, weil's so krass anders und ungewohnt ist, nicht nur prinzipiell eh, sondern auch im Vergleich zu den Vorstellungen, die ich mir so gemacht hatte, wie's sein würde.
Und Wow, weil's einfach wunderschön ist. Noch hat es keine Ärmel, ist noch zu lang, der Kragen fehlt, überall sind Heftnähte und zwischendurch noch ein paar Stecknadeln, die Taschen sind noch Löcher, durch die man durchfassen kann, und einen Schleier, der das Bild abrundet, habe ich natürlich auch noch nicht, aber trotzdem ist es schon wunderschön. (Und ich seh darin richtig gut aus, finde ich...) :)

Und weil ich schon mal dabei bin, zu schreiben, kann ich gleich auch noch ein paar weiter Sätze zu den letzten Monaten verlieren...

Wir haben uns als Noviziat mittlerweile ganz gut zusammengerauft (und raufen gelegentlich weiter) und sind eine - wie ich finde - gute Gruppe geworden. Wir sind total unterschiedlich, das macht die Sache interessant und immer wieder spannend.

Mit meinen Arbeitsfeldern war ich bisher sehr zufrieden: den Putzdienst konnte ich mir erst gar nicht vorstellen, weil das vorher so gar nicht mein Hobby war, aber am Ende konnte ich mich kaum noch von den netten Mitarbeiterinnen trennen und habe gelernt, richtig gerne zu putzen. Wer hätte das gedacht! Und jetzt bin ich seit einiger Zeit im Sticksaal und lerne sticken und habe jeden Tag mehr Freude daran. Das ist eine richtig schöne Arbeit, meditativ, kreativ, überraschend vielseitig, nebenher kann man miteinander reden oder Neues planen und trainiert außerdem noch die Verknüpfung der beiden Gehirnhälften. Bisher war mir noch keinen Tag langweilig hier. ;) Und wer hat in meinem Alter schon noch die Gelegenheit, zwei Jahre mit Drei-Monats-Praktika zu verbringen in Bereichen, die nichts mit dem eigenen Beruf zu tun haben? Das ist schon echt ein Geschenk.

Insgesamt fühle ich mich hier richtig zuhause und merke immer wieder, dass ich nichts aus meinem bisherigen Leben vermisse - wenn man mal von kurzen Sehnsuchtsmomenten nach meinem Auto und einem Wochenende bei meinem Patenkind absieht, und der gelegentlichen Lust auf Döner und Sushi, aber hey, der nächste Ausflug und dann der Heimaturlaub sind gar nicht mehr so lange hin. Wenn ich an meine Arbeit und mein Leben vor dem Noviziat zurück denke, kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, wieder so zu leben. Ich bin hier einfach angekommen und daheim.

Das Schönste aber ist hier die Gemeinschaft: wie die Schwestern miteinander umgehen und sich umeinander kümmern, wie wir miteinander beten, singen und feiern, wie wir uns immer wieder versöhnen und neu anfangen können, und wie jede weiß, dass auch die Anderen noch nicht fertig und am Ende ihres Weges sind, sondern eben alle mittendrin und unterwegs. Diese Gemeinschaft macht es mir leicht, mich fallen zu lassen: in der Gruppe, aber gerade auch im Gebet, wo ich lerne, mich wirklich ganz und gar Jesus hinzuhalten und anzuvertrauen, und das Risiko einzugehen, dass er mich verändert und verwandelt und mir näher kommt als ich es ahnen konnte.

Jetzt, wo ich das durchlese, was ich eben geschrieben habe, merke ich, dass ich mich verliebt habe: in Jesus, dieses Kloster und mein Leben hier... :))