Mittwoch, 30. Oktober 2013

Katholische App-Empfehlung

Für alle, die wie ich schon immer gerne das Stundenbuch auf dem Handy gehabt hätten:
http://www.pressebund.de/beten-per-app-stundenbuch-app.html

Hübsch gemacht, kostenlos, benutzerfreundlich, katholisch. Was will man mehr?!

Ich kann's also nur empfehlen! :)

Montag, 28. Oktober 2013

Kann man einen Menschen verlieren?

Sie hält mich für verrückt.

Sie meint das leider nicht im umgangssprachlichen Sinne, sondern psychologisch oder vielleicht sogar pathologisch. Sie hält mich nicht für anders, unverständlich, mutig oder sonst irgendwas, was man positiv deuten könnte. Sie hält mich für psychotisch und behandlungsbedürftig.
Sie sagt, dass ihr schlecht wird bei dem Gedanken, dass ich ins Noviziat will. Sie hat das Gefühl, dass ich mir freiwillig Gliedmaßen abschneide, wenn ich ins Kloster gehe. Ihr erscheint ein Leben im Orden, mit Gelübden, ohne Kinder und ausgelebte Sexualität so absonderlich, dass sie es auf eine Stufe mit einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung stellt. (Bevor jemand fragt, ob ich hier interpretiere: nein - das meiste zitiere bzw. paraphrasiere ich.)

Eigentlich hat sie mich heute wegen einer ganz anderen Sache angerufen. Dummerweise erwähnte ich in meiner Antwort, dass ich froh sei, diese Sache noch vor dem Noviziat erledigen zu können. Tja, ich hätte wissen müssen, dass das 'N-Wort' bei ihr Allergien auslöst.

Dass sie mich für verrückt hält, kann ich irgendwie noch hinnehmen, auch wenn ich dem absolut nicht zustimmen kann. Ich kann schließlich nicht von jedem Menschen erwarten, dass er meinen Schritt versteht oder sogar gutheißt. Aber es verletzt mich, dass sie mir das so sagt. Das war kein liebevolles 'willst du es dir nicht noch mal überlegen'. Das war einfach nur eine verbale Klinikeinweisung auf einem satten Unterton von 'ich gebe dich auf, das ist nur noch krank'.

Schade, ich hatte gedacht (oder vielleicht auch nur gehofft), dass unsere Beziehung so langsam wieder besser wird, und dass sie meinen Schritt akzeptieren könnte. Sie war bei meiner Kandi-Aufnahme da gewesen, und ich hatte wirklich den Eindruck gehabt, dass hinterher so manches einfacher geworden wäre.

Sie hat mir einen kleinen Vortrag gehalten, dass Toleranz nur ertragen und hinnehmen hieße (ja, ich hatte es provoziert, indem ich gemeint habe, dass ich von ihr etwas mehr Toleranz erwartet hätte), und dass sie das ja tun würde (ich habe nicht gefragt, was ihrer Meinung dann in unserem Fall Intoleranz bedeuten würde), und dass ich nicht erwarten könne, dass sie mich versteht oder etwa auch noch unterstützt.

Nun, nein, ehrlich gesagt hatte ich nur erwartet, dass sie mich als Person stehenlässt. Dass sie mich weiterhin in meinen Entscheidungen ernst nimmt. Leider habe ich nicht den Eindruck, dass das noch der Fall ist, wenn sie mich für krank hält.

Das tut echt weh: dass sie mich nicht mehr ernst nehmen kann, dass sie mir solche Sachen einfach ins Gesicht sagt (immer mit dem Hinweis, dass ich das jetzt nicht falsch verstehen soll), dass sie mich irgendwie abgeschrieben hat, weil ich dieses Leben wähle.

An meiner Entscheidung rüttelt das alles nicht, wohl aber an meiner Freude darüber. Ich hatte echt schon geglaubt, dass ich zu den glücklichen Menschen gehöre, für die das Evangelium nicht ganz so wahr würde, von wegen Mutter, Vater, Schwestern, Brüder, Äcker und Häuser verlassen. Scheint so, als wäre ich nun doch eine derer, die jemanden zurücklassen müssen, um Jesus nachzufolgen. Vielleicht sollte ich froh und dankbar sein, dass es sich nur um einen Menschen handelt und nicht auch noch alles andere dazu. Weniger schmerzhaft macht das aber die Sache nicht. Auch, dass ich laut Evangelium das Hundertfache zurück bekommen werde, macht die Sache nicht leichter. Ich liebe sie genauso wie sie ist, es gibt sie einfach nur einmal, und ich hätte einfach gerne eine gute Beziehung zu ihr, und nicht zu hundert anderen.

Es war ein langes und anstrengendes Telefonat mit ihr, und ich bin alles andere als zufrieden damit. Als wir aufgelegt haben, waren wir beide glaube ich ziemlich erschlagen von der Intensität. Ich habe das Gefühl, als hätte ich sie mit einem Schlag verloren. Nicht, dass unsere Beziehung immer leicht, eng und schön gewesen wäre - im Gegenteil -, aber sie gehört doch einfach zu mir.
Ich hoffe und bete, dass ich sie nicht wirklich verloren habe, sondern dass das nur eine Phase in unserer Beziehung ist, und dass wir uns irgendwann wieder näher kommen. Aber wissen kann ich das leider nicht. Was ist, wenn ich sie wirklich verliere, weil ich ins Kloster gehe? Was ist, wenn ich da gerade etwas zerbreche, was nicht mehr zu kitten ist?

Ich weiß nur eins: ich gehe trotzdem ins Kloster.

Nicht, weil ich über Leichen gehen will, sondern weil ich nicht anders kann. Weil Jesus mein Weg, meine Wahrheit und mein Leben ist, und das nicht nur auf dem Papier, sondern wirklich ganz und gar. Momentan macht mich das leider eher traurig als froh.

Dienstag, 22. Oktober 2013

Happy feastday!

Zwei meiner Lieblingsheiligen haben heute Gedenktag: die Hl. Salome und der Sel. Johannes Paul II.

Salome hat sich mir vor einigen Jahren einfach aufgedrängt - eigentlich wollte ich mich nur bei einem katholischen Forum anmelden, und habe überlegt, welchen Onlinenamen ich nehmen soll. Und irgendwie kam mir da der Name Salome in den Sinn und hat mich nicht mehr losgelassen. Zuerst dachte ich, naja, die Tochter der Herodias, das kann man nur als Witzname nehmen, die hat sich ja nun wirklich nicht mit Ruhm bekleckert. Dass der Name 'Friede' bedeutet, hat mir aber von Anfang an gefallen. Und dann habe ich irgendwann entdeckt, dass es ja noch eine Heilige mit dem Namen Salome gibt, die auch noch biblisch ist: im Markusevangelium heißt die dritte Frau unter dem Kreuz Salome, und sie ist auch bei den Frauen, die das leere Grab finden. Noch später habe ich rausgefunden, dass sie der Tradition nach die Frau des Zebedäus war und damit Mutter von Jakobus und Johannes - wie schön ist das!
Seit dieser Zeit ist Salome meine Patronin, und ich habe ihren Namen online beibehalten. Sie gehört einfach zu mir. :)

Zu Johannes Paul II. brauche ich wohl nicht viel zu sagen - der ist zu bekannt, als dass ich über ihn noch viel schreiben müsste.
Nur so viel: er ist COOL.



Und daher: Happy feastday!!

Montag, 21. Oktober 2013

Du Opfer

Die Theologen sagen, die Welt versteht nicht mehr, was Opfer bedeutet.
Die Jugendlichen sagen, doch, du Opfer.

Opfer ist ein Schimpfwort. Wer ein Opfer ist, ist selber Schuld. Opfer werden gemobbt, sind Loser, Außenseiter, niemandes Freund. Opfer sind eben Opfer.

Und dann reden wir leichtfertig vom Opfer Christi als etwas, das es zu bewundern und zu verehren gilt, ohne groß darüber nachzudenken, was das eigentlich heißt.

Dass Gott Mensch geworden ist, ist eine riesen Sache. Unvorstellbar. Dass Weihnachten und Karfreitag direkt zusammen hängen, daran denkt man selten. Das ist noch riesiger, noch unvorstellbarer. Warum hat er das getan? Warum ist Gott in Jesus Mensch, Opfer und Erlöser geworden?

Ich muss ganz ehrlich sagen, ich weiß es nicht. Ich kann versuchen, mich der Sache schrittweise zu nähern, aber ich bezweifle stark, dass ich sie jemals ganz verstehen kann.

Am besten, wir gehen zurück zu den Basics.

Gott ist die Liebe.
Nicht nur ein bisschen, sondern wirklich ganz und gar. Er kann nicht anders als zu lieben, und er liebt uns Menschen, uns alle gemeinsam und jeden einzelnen von uns. Und wie das so ist, wenn man jemanden liebt, möchte er uns nahe sein. Leider sind wir Menschen nicht ganz so perfekt, wenn es um Liebe geht, und laufen immer wieder vor ihm davon. Weil wir also nicht zu Gott kommen, kommt Gott zu uns. Er zieht quasi bei uns ein, passt sich unseren Regeln an, wird so wie wir, eben Mensch.

Gott macht keine halben Sachen.
Früher oder später wird bei Gott jede halbe Sache ganz. Mensch zu werden alleine wäre ja schon riesig gewesen, aber weil Gott uns wirklich ganz und gar nahe sein will, geht er den ganzen Weg mit uns, von Geburt bis Tod und darüber hinaus. Und das (natürlich...) nicht auf die leichte Weise, sondern auch hier wieder die Vollversion, so tief es geht. Gott stirbt für uns, durch uns und mit uns, allen gemeinsam und jedem einzelnen. Sein Tod am Kreuz geht so weit, dass er darin jedem Menschen begegnet, jedes Opfer findet sich in ihm wieder, jeder Schuldige hängt neben ihm am Kreuz und hört das Versprechen, heute noch wirst du mit mir im Paradies sein, und jeder Gewinner feiert mit ihm Auferstehung.

Der Tod ist nicht genug.
Es reicht nicht, Mensch zu werden und zu sterben, weder für uns Menschen noch für Gott. Gott ist ewig, er liebt uns ewig und will uns ewig nahe sein. Weil wir nicht so einfach zu ihm kommen, kommt er zu uns, und weil wir nicht ewig bleiben, wo wir sind, nimmt er uns mit. Durch den Tod hindurch ist er uns vorausgegangen, und geht gleichzeitig jeden Tag mit uns weiter, nimmt uns mit in seine Ewigkeit, die wir uns nicht vorstellen können, höchstens ahnen und glauben.

Jesus, du Opfer.
Gott will wirklich ganz und gar sein wie wir, und das heißt in letzter Konsequenz, dass er zum Opfer wird. Er legt sich in unsere Hand (und das ist jetzt nicht nur bildlich gemeint!), lässt mit sich machen. Verdient hat er das nicht - und wir auch nicht. Aber bei Gott geht es nicht um Verdienst, sondern um Gnade. Das ist genau der Punkt, wo Jesus, das Opfer, zu dem wird, was er auch noch ist: einer, der sich für uns opfert. Jesus wird nicht einfach nur dadurch zum Opfer, weil wir Menschen Täter sind, sondern vor allem dadurch, weil er in sein Menschsein einen Sinn legt, den nur er dem Leben und Sterben geben kann: was er tut, tut er aus Liebe zu uns. Er lässt uns mit ihm alles machen, weil er uns liebt, weil er im wahrsten Sinne des Wortes Alles dafür tun würde, um uns nahe zu sein, um uns zu lieben. Das haben wir nicht verdient - aber er hat es gewählt. Das ist Gnade, Liebe, Vollkommenheit. Gott eben.

Durch seine Wunden sind wir geheilt.
Was immer uns weh tut, woran immer wir leiden: wir sind niemals alleine in unserem Schmerz und Leid. Er war schon da und ist es jeden Tag aufs Neue. Er kennt unsere Ängste nicht nur, weil er uns zusieht und zuhört, sondern weil er sie selbst erlebt hat und erlebt. Weil ich weiß, dass er leidet, wenn ich leide, ist mein Leid nicht mehr leer und sinnlos. In meinem Leid finde ich ihn, finde ich Gott, finde ich ein Fenster in die Ewigkeit. In meinem Leid kann ich ihm nachfolgen und mit all den Menschen mitleiden, mit denen er mitleidet. Mein Leid wird zum Gebet meines Körpers und meiner Seele, das ich ihm hinhalte, weil er mich liebt und ich ihn lieben will. Mein Leid wird zur Fürbitte für alle, die auch leiden. Durch seine Wunden bin ich geheilt, weil meine Wunden in seinen Wunden ihren Platz finden, und mein Leben mit ihm wieder einen Sinn hat.


Wie gesagt - schrittweise und immer unvollständig. Die Fragen von Erbschuld, Sünde, Sühne und Erlösung habe ich noch nicht mal richtig angekratzt, und werde es heute auch nicht mehr tun.

Aber eines weiß ich heute schon:
Jesus, du Opfer, ich liebe dich.

Und darum gehe ich ins Kloster.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Die Sache mit dem Apfel...

... ist so: in jedem gesunden Apfel wohnt auch ein gesunder Wurm.

Heute möchte ich mich mal weniger auf die Äpfel als auf die Würmer konzentrieren, ein bisschen im Selbstmitleid versinken und dann hinterher hoffentlich wieder daraus auftauchen.

Was ich anschließend mit den Äpfeln mache, bleibt die Frage: Kann ich reinbeißen, so wie Adam und Eva, oder hat das dann (wie bei den beiden auch) nur noch mehr Würmer zur Folge? Auf den Kompost werfen will ich sie nicht - das wäre mal echt eine Verschwendung (hm, waren Adam und Eva etwa Schwaben, so dass sie jeden, aber auch wirklich jeden Apfel verwerten mussten, und der Grund für den Sündenfall damit nur, dass die zwei nichts verkommen lassen konnten?). Kann ich die Würmer theologisch legitim rausschneiden und Apfelkuchen backen? Oder würde ich damit Gottes Gnade vorgreifen (und kann man Würmer überhaupt aus dem Apfel des Lebens entfernen)? Oder sollte ich die Würmer besser einfach lassen, wo sie sind, und die Äpfel mitsamt Würmern zu Apfelsaft pressen, oder idealerweise zu Most (für Nichtschwaben: Most ist Apfelwein, Cidre, oder wie auch immer ihr das nennt)?




1. Der kirchliche Apfel in Deutschland ist ja wohl nicht mehr ganz sauber.

Nein, ich möchte mir kein Urteil anmaßen über das, was da in Limburg abläuft. Dafür sind mir die Umstände zu verwirrend, und die Motivationen derer, die sich darüber auslassen, zu undurchsichtig. Dass aber die Glaubwürdigkeit der Kirche schwer angekratzt (oder sollte ich, um im Bild zu bleiben, besser sagen: angenagt) ist, daran besteht kein Zweifel. Da haben wir einen wunderbaren Papst, der all die richtigen Zeichen in unsere Zeit setzt, der so authentisch, glaubwürdig und nah am 'Volk' ist wie kaum einer zuvor, und dann haben wir in Deutschland nichts besseres zu tun, als nicht nur viel Geld auszugeben, sondern dann noch die Schuld vom einen auf den anderen zu schieben.
Was die Sache dann noch toppt, ist ein Videokommentar aus meiner höchsteigenen Diözese, der mir die Schamesröte ins Gesicht treibt: ja, klopfen wir uns selbst auf die Schulter, weisen wir darauf hin, wieviel besser wir als Limburg sind, dann fällt vielleicht keinem auf, dass auch unser kleiner Apfel einen Wurm haben könnte.


2. Dieses Jahr ist bei mir gesundheitlich echt der Wurm drin.

Bevor ich 30 war, war ich (mit Ausnahme meiner Geburt) noch nie stationär im Krankenhaus. Knapp einen Monat nach meinem 30. Geburtstag dann zum ersten Mal, und so wie's aussieht, könnte es jetzt, nicht mal zwei Monate nach der letzten OP, bald schon wieder so weit sein: ich habe einen Gallenstein. Der kann zwar keine Koliken verursachen (er ist mit 2cm zu groß, um in den Gallengang rutschen zu können), dafür ist die Gefahr für eine Gallenblasenentzündung aber ziemlich hoch, was zwar weniger schmerzhaft, aber wohl deutlich gefährlicher ist als eine Kolik.

Eigentlich wollte ich gar nicht zum Arzt, schließlich weiß man ja nie, was da raus kommt. Aber nachdem diese leichten Bauchschmerzen seit über zwei Wochen nicht nachgelassen haben, dachte ich gestern auf dem Rückweg vom Zahnarzt, dass ich vielleicht mal in der Arztpraxis nachfrag, ob ich deswegen gleich in die Sprechstunde muss, oder ob ich das weiterhin ignorieren kann. Tja, selber Schuld. Was frag ich auch nach.

Mein Arzt ist sich zwar noch nicht sicher, ob die Bauchschmerzen überhaupt von dem Gallenstein kommen, meint aber, dass so ein Gallenstein nahezu immer irgendwann Probleme macht, ganz egal, ob meine momentanen Bauchschmerzen was mit ihm zu tun haben oder nicht.

Dass ich kein Freund von Krankenhaus, Operationen und Schmerzen bin, brauche ich ja wohl nicht mehr zu erwähnen.

Selbstverständlich denke ich wieder an die Regel: "Und für alles, was ihnen widerfährt, sollen sie dem Schöpfer Dank sagen, und sie mögen so zu sein verlangen, wie der Herr sie will, gesund oder krank." Würmer haben vermutlich nicht nur eine Lebensberechtigung, sondern für den Apfel einen tieferen Sinn, den der Apfel nur noch nicht erkennen kann.


3. Willkommen in Wurmhausen.

Wo ich wohne, ist auch nicht alles ohne. (Und was sich reimt, ist gut. Sagte Pumuckl schon immer, und der muss ja recht haben.)

Die Tochter meiner Nachbarin stirbt an Krebs. Meine Nachbarin ist schon 80, aber ich finde, irgendwie sollte man in dem Alter doch irgendwann mal das Recht darauf bekommen, vor den eigenen Kindern sterben zu dürfen. Nicht, dass ich meine Nachbarin übermäßig gut kennen würde, wir reden halt manchmal im Garten oder nach der Kirche. Ihre Tochter kenne ich persönlich überhaupt nicht. Aber am Sonntag hat die Nachbarin auf dem Heimweg von der Kirche geweint, als sie mir erzählt hat, was los ist. Das tut so weh: ich will, dass es ihr gut geht, dass das nicht wahr ist, was da gerade passiert, und weiß doch, dass ich absolut nichts tun kann. Klar, Beten ist nicht nichts und Zuhören auch nicht. Aber ich fühle mich trotzdem total hilflos, und würde ihr so gerne etwas sagen können, das hilft, aber das müsste ein Zauberspruch sein, und den gibt es leider nicht.

Viel weniger schlimm ist die Tatsache, dass der Winter kommt, und ich wieder heizen muss. Diese Heizerei ist echt doof und vor allem teuer: Meine Wohnung ist groß, hat dicke Wände, und schrottige Fenster. Durch diese Fenster fällt die Kälte rein und die Wärme fliegt raus. Außerdem hat meine Wohnung Elektro-Nachtspeicheröfen. Die Dinger fressen Strom, dass einem bei dem Blick auf den Stromzähler schwindelig wird. Und dann lese ich heute in den Nachrichten, dass die Strompreise schon wieder erhöht werden. Gott sei Dank habe ich einen guten Job und genug Geld, mir die Wärme in meiner Wohnung leisten zu können! Aber was ist mit all denen, die kein Geld haben, aber eine ähnlich energiefressende Wohnung?
Welchen Sinn hat denn bitte hier der Wurm im Apfel?




Vielleicht sollte ich die Äpfel und ihre Würmer einpflanzen, und hoffen, dass Gott aus der Apfel-Wurm-Kombi noch etwas Gutes und Schönes macht.


Dienstag, 8. Oktober 2013

Römische Eindrücke

Alle Wege führen nach Rom. Das ist nicht das Problem.
Das Problem sind die Wege, die durch Rom führen.

Nach fast vier Tagen in der ewigen Stadt habe ich heute (zwei Tage nach der Rückkehr) immer noch solche Blasen an den Füßen, dass es nicht mehr feierlich ist.

Rom besteht aus Stein. Schönem Stein meistens, aber doch Stein. Wenn man Glück hat, sieht man manchmal ein paar Topfpflanzen auf einem Balkon, und wenn man Richtung Forum Romanum/Colosseum/Circus Maximus unterwegs ist, sogar ein paar Bäume und Gras. Aber ansonsten: Stein. Bis ins sechste oder siebte Stockwerk. Zwischendurch frage ich mich etwas ketzerisch, ob Rom deshalb die ewige Stadt genannt wird, weil sich dieser Stein ewig hält und dank ihm sich jeder Weg wie eine Ewigkeit anfühlt.


So gerne und überzeugt ich römisch-katholisch bin, muss ich doch leider feststellen, dass Rom nicht meine Stadt ist. Im Gegenteil, ich bin irgendwie froh und erleichtert, als ich wieder heim fahren darf.

Rom ist laut, Rom ist voll, Rom ist rastlos. Rom ist voll von Touristen, Taschendieben, Straßenhändlern, Pilgern, Touristenguides.
Was ich in Rom nahezu vergeblich suche, ist die Stille. In jeder Kirche, in die ich komme, ist etwas los: Touristen, die sich von rechts nach links und von hinten nach vorne und dann wieder zurück schieben und dabei alles, aber auch wirklich alles fotografieren. In einer Kirche sind zwei oder drei Messen gleichzeitig, seltsamerweise alle auf Englisch. Zwischendrin geführte Gruppen. Vereinzelt mal ein weinendes Kind (überhaupt habe ich nur sehr wenige Kinder in Rom gesehen). Dort eine fromme Pilgerin, die lautstark auf einer Sprache betet, die ich nicht verstehe, und sich dabei verneigt und eine bestimmte Anzahl von Runden in der Kirche dreht. Selbstverständlich immer laut betend.
Im Petersdom habe ich Glück: ich finde eine Seitenkapelle, in der gerade eucharistische Anbetung ist. Nicht, dass es dabei still wäre, dazu sind die immerwährenden Pilgerströme im Hintergrund viel zu laut, aber immerhin. Wie sehr ich die Stille suche und brauche, merke ich, als ich mich auf den Weg zur Beichtecke mache. Wenn ich schon keine äußere Stille haben kann, will ich wenigstens innere finden. Zum Glück spricht einer der Beichtväter Englisch, und schaut mich außerdem noch mit einem Blick an, in dem ich die Augen Jesu erkennen kann. Wenn das nicht echte Beichtgnade ist!

Unsere Gruppe ist total nett: alles Erzieherinnen, nur zwei Männer, etliche in meinem Alter. Ein paar kenne ich schon, die meisten noch nicht. Die, die ich kenne, wissen natürlich, dass ich Theologin bin, und fragen mich aus. Warum da ein toter Papst hinter Glas liegt. Ob alle Kapuziner die Knochen ihrer Toten in Ornamenten an die Wand hängen. Was die Zahlen unter den Papstbildern in St. Paul vor den Mauern bedeuten. Warum wir Reliquien verehren, und warum die Krippe in St. Maria Maggiore so in Silber versteckt ist, dass man sie gar nicht mehr sehen kann. Ob beichten im Beichtstuhl nicht ein bisschen eine Fließband-Massenabfertigung ist, und ob man das machen muss. Was die Lateinischen und Griechischen Inschriften an den Wänden bedeuten.
Es entstehen richtig gute Gespräche, manchmal auch lustige, etliche tief, um die ich sehr dankbar bin. Ruhe finde ich aber trotzdem keine, denn ich habe in diesen Gesprächen immer das Gefühl, dass ich nur die Gebende bin und selber nichts empfange. Ich sage mir, dass ich in meinem Leben schon so viel empfangen habe, dass ich jetzt ruhig mal etwas weiter geben kann, ohne dabei gleich das Gefühl haben zu müssen zu kurz zu kommen.
Der Eindruck bleibt trotzdem: Rom ist anstrengend und kein Ort, an dem ich mich zu Hause fühle.

Das erste Mal, als ich etwas zur Ruhe komme, ist in den fünf Minuten, die ich über den Campo Santo Teutonico wandere, den klitzekleinen Deutschen Friedhof im Vatikan.

 
Hier herrscht endlich die Ruhe der Ewigkeit, die ich in der ewigen Stadt schon seit Tagen suche. Kurz denke ich, dass es echt ok wäre, hier beerdigt zu sein. Hier spüre ich - im Gegensatz zum Petersdom - die Nähe des Heiligen.

Leider währt der Augenblick nicht lang, denn dann ist Gottesdienst, und der ist alles andere als von Ruhe geprägt dank begleitender Blaskapelle und großem Aufmarsch einer Bürgerwache. Auch der Angelus auf dem Petersplatz ist eher anstrengend: obwohl ich eigentlich kein Italienisch kann, bin ich die einzige der Gruppe, die die Ansprache des Papstes einigermaßen simultan übersetzen kann (zum Glück hatte ich in der Schule mal Französisch und Latein!), und kriege daher für mich selber relativ wenig mit. Die Atmosphäre ist aber trotzdem schön, so in der Menschenmasse in der Sonne, um mich herum die Begeisterung für den Papst, gemeinsam beten...

Voller Eindrücke fahre ich wieder heim - die Zeit war schön, und gleichzeitig unheimlich anstrengend, das Essen lecker, aber jetzt will ich endlich mal wieder Gemüse ohne Öl, mein Bett ok, aber daheim ist eben doch daheim.

Was bin ich froh, dass mein Kloster nicht in Rom ist! Was bin ich froh, dass ich Rom mögen darf, aber nicht dort leben muss!

... und darum gehe ich in mein Kloster.

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Betteln im Namen Jesu?

Heute war ich nachmittags kurz einkaufen und lief gerade entspannt durch die Stadt, als mich eine junge Frau ansprach. Gleich auf den ersten Blick dachte ich, die sieht aus wie eine, die zu diesen Bettelbanden gehört. Aber weil ich schließlich nicht selbst Opfer meiner Vorurteile sein will, habe ich mir angehört, was sie zu sagen hatte. Sie bat mich, ob wir uns zwei Minuten auf eine Bank setzen könnten, um zu reden. Sie sei völlig fertig, und suche nur einen Menschen, der ihr zuhört. Also gut, ich hatte Zeit, und was hatte ich schon zu verlieren (kurzer Griff zum Reißverschluss der Handtasche - zu, alles ok).

Ob ich an Jesus glaube, fragte sie mich. Ja, ich bin Christin. Sie zog ein Jesus-Bild (Faustina-Style) aus der Tasche, streichelte darüber, wie um mir zu beweisen, dass sie wirklich auch ganz fromm ist. Das kleine Alarmlämpchen in meinem Kopf begann zu blinken, schließlich kenne ich kaum jemanden unter den wirklich Frommen, die so schnell greifbar so ein großes Jesus-Bild in der Handtasche mit sich tragen, noch dazu ganz faltenfrei.

Und dann gingen die Geschichten los:

Sie komme aus dem Kosovo, und sei jetzt in Deutschland, habe aber keine Arbeit. Ich frage, ob sie eine Arbeitserlaubnis habe. Nein, die bekomme sie in sechs Wochen, sei aber schon einen Monat mit der Miete im Rückstand, und sie habe Kinder, 8 Monate alt, Zwillinge. Ob sie denn überhaupt eine Aufenthaltsgenehmigung habe - nein, ihr Visum sei vor drei Monaten abgelaufen, seither kann sie nicht mehr arbeiten, und jetzt ist ihr Geld alle. Nachdem die Frau beinahe fließend Deutsch spricht, frage ich sie, wie lange sie denn schon in Deutschland lebt. Seit zwei Jahren, meint sie, aber sie habe niemanden hier und sei ganz alleine. (Nunja, ich sag's nicht laut, aber so langsam ist aus dem Alarmlämpchen im Kopf ein kleine Alarmsirene geworden, denn wie kriegt man bitte Zwillinge in Deutschland, ohne dass der Staat auch nur irgendwas davon mitbekommt? Und wenn er's mitbekommt, bekäme sie entweder Kindergeld oder die Kinder wären schon längst vom Jugendamt versorgt...)
Sie gehe immer beten, dass Jesus ihr hilft, aber er hilft ihr nicht. Auf die theologische Diskussion über den Willen Gottes und den Willen der Menschen und Gottes Art, auf Gebete zu reagieren, gehe ich nur mit einem einzigen Satz ein, den die junge Frau ganz offensichtlich nicht hören will. Ich frage also, ob sie schon bei der Caritas oder Diakonie war; schließlich sind die dafür da, Menschen in Notsituationen zu helfen. Ja, sie sei schon überall gewesen, aber die würden ihr dort nicht helfen, nur Essen und Kleidung bekäme sie dort (was sie ganz offensichtlich nicht will - den Kaffee, den ich ihr anfangs mal angeboten hatte, wollte sie auch nicht haben).
Ich nehme meinen Mut zusammen und sage: "Ganz ehrlich, ich glaube Ihnen Ihre Geschichten nicht so ganz." Sie blickt mich beleidigt an und will wissen, warum. "Weil ich schon zuviele von diesen Geschichten gehört habe, und hinterher immer wieder rauskam, dass sie nicht stimmen. Und bei Ihnen kommen mir zu viele dieser tragischen Kleinigkeiten zusammen." Sie fängt wieder an zu jammern, sie habe keine Krankenversicherung, und habe sich deshalb gestern selbst einen Zahn ziehen müssen, und steckt wie zum Beweis ihren Zeigefinger in den Mund. Ich sehe nichts. Keine Zahnlücke, keine Schwellung, keinen Bluterguss, kein Zeichen von Schmerz in ihrer Mimik, nichts. Jetzt brauche ich keine Alarmsirenen mehr, jetzt bin ich mir sicher, dass sie lügt wie gedruckt. Das sage ich ihr auch - freundlich, aber klar. Sie fängt wieder von Jesus an, dass der ihr doch helfen müsse, und aber nichts tut, und dass sie nicht mehr weiterwisse, und sich vielleicht was antut. Das reicht, um mich echt zu nerven - und endlich merkt sie das, als ich ihr sage, dass ich ihr gerne was zu essen kaufe, dass ich ihr aber kein Geld geben werde (abgesehen davon, dass die Menge Geld, die sie in der von ihr beschriebenen Situation bräuchte, durch meine 'Spende' in keiner Weise gedeckt wäre und sich die Situation auch durch eine einmalige Intervention keineswegs verbessern würde - wäre das alles wahr, bräuchte die junge Frau dringend Hilfe vom Sozialamt, Jugendamt und noch ein paar anderen Organisationen). Jetzt ist sie endgültig beleidigt mit mir und lässt mich einfach stehen.

Nachdenklich gehe ich weiter.
 

In der Stadt begegne ich noch etlichen weiteren Bettlern, die ebenso wie 'meine' Frau die Menschen ansprechen. Auch ich werde noch zweimal angesprochen, lasse mich aber auf kein Gespräch mehr ein. Mir tun die Menschen Leid, und ich würde ihnen gerne helfen können, weiß aber, dass Geld da total kontraproduktiv ist: je mehr Geld sie erbetteln, umso mehr lohnt sich das Bandenbetteln für die Drahtzieher im Hintergrund, und den einzelnen Bettlern ist in keiner Weise geholfen, im Gegenteil, es werden immer mehr von ihnen. Leise bete ich für die junge Frau und die anderen aus ihrer Bettelgruppe.



Zuhause habe ich ein bisschen recherchiert - ich wusste schon, dass es diese Bettelbanden gibt, und dass die einzelnen Bettler von dem Geld, das sie erbetteln, kaum was behalten dürfen. Dass sie ganze Landstriche 'abgrasen', jeden Tag mit dem Bus in eine neue Stadt gekarrt und abends wieder abgeholt werden. Bisher war mir nur noch niemand aus diesen Gruppen begegnet, der so gut Deutsch konnte, und mit dem ich mich wirklich unterhalten konnte (nun ja, angesichts der Tatsache, dass der Beitrag meiner Dialogpartnerin aus Lügen bestand, muss ich mich vielleicht nochmal fragen, ob das wirklich eine Unterhaltung war).

Ich denke schon, dass ich im Großen und Ganzen richtig gehandelt habe, aber die Begegnung geht mir trotzdem nach.

Und ich frage mich, ob ich die Polizei hätte informieren sollen. Ist es besser für die Menschen aus diesen Bettelbanden, von ihren Drahtziehern zum Betteln in Deutschland gezwungen zu werden, so dass die Hintermänner dann einen ziemlichen Gewinn einstreichen, und weiterhin Menschen aus den entsprechenden Ländern busweise hierher bringen? Oder ist es besser, wenn die Polizei einschreitet, den Leuten Platzverweis erteilt, ihre Personalien aufnimmt etc.? Und sollte ich andere Passanten, die sich vielleicht nicht trauen, kein Geld zu geben, vor diesen Bettelattacken schützen, indem ich die Polizei informiere?

Ich weiß es nicht.